Gespräch über Schleusingen – 1

Bürgermeisterkandidat mit Bürgermeister im Gespräch: Mein Bruder Dr. Michael Brodführer, erfolgreicher Bürgermeister in Bad Liebenstein, zu Gast in Schleusingen.

ALEXANDER: Du bist als alter Schleusinger seit 2013 Bürgermeister in Bad Liebenstein, der Heimat deiner Frau. Hast du den Wahlkampf in Schleusingen verfolgt?
MICHAEL: Selbstverständlich interessiert mich, was in meiner alten Heimatstadt passiert. Zumal es ja wirklich einen spannenden Bürgermeisterwahlkampf gibt. Mein Eindruck ist, dass in der ersten Runde vier ausnahmslos engagierte Kandidaten zur Wahl standen. Entscheidend ist aber nicht nur die Person des Kandidaten, sondern die Frage, welche Politik der Kandidat in Zukunft machen wird.
ALEXANDER: Genau darum geht es. Als CDU-Kandidat ist die Richtung vorgegeben. Wir wollen weiterhin stabile Lebensverhältnisse. Schleusingen ist für seine erfolgreiche Entwicklung in den letzten 28 Jahren bekannt. In Thüringen gibt es viele Kommunen, die uns um unsere Situation als Wohnstandort, Gewerbestandort, Schulstandort und vielem mehr beneiden. Investitionen in Millionenhöhe in den vergangenen Jahren für die Stadtsanierung und Dorferneuerung, für Straßenbau und Freizeiteinrichtungen und trotzdem immer solide Finanzen. Die Stadt war seit der Wiedervereinigung nie in einer Schieflage, im Gegenteil, es war sogar die erste Stadt in Thüringen, die schuldenfrei geworden ist. Dadurch konnte auch die finanzielle Belastung für die Bürger und die Unternehmen immer überschaubar bleiben. Die Bürger konnten sich darauf verlassen, dass in der Politik Fehlentscheidungen vermieden und die selbstgesteckten Ziele erreicht wurden. Ich will die erfolgreiche Entwicklung der letzten Jahre fortsetzen. Das gelingt nur mit einem starken und gut vernetzen Bürgermeister. Und das war auch meine Motivation, für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren.

Vater-Sohn-Familie

MICHAEL: Zumal du den Job aus der eigenen Familie kennst. Du weißt, dass du als Bürgermeister sieben Tage in der Woche im Einsatz bist und es keinen Feierabend gibt. Wenn da deine Frau und deine Kinder und die ganze Familie nicht hinter dir stehen, klappt das nicht.
ALEXANDER: Das ist richtig. Was meinst du, ist es ein Vorteil oder ein Nachteil, als „Sohn“ zu kandidieren?
MICHAEL: Wenn der Vater erfolgreich war, ist es in jedem Fall ein Vorteil. Unser Klaus hat seine eigene Art gehabt, das Amt zu führen. Er war 28 Jahre im Amt, hat auf allen Ebenen, ob im Bund, im Land oder im Landkreis, in Verbänden oder Vereinigungen fruchtbare Beziehungen aufgebaut, die er immer für die Stadt nutzbar gemacht hat. Als ich in Bad Liebenstein ins Bürgermeisteramt gekommen war, konnte ich bzw. die Stadt Bad Liebenstein enorm von diesen Kontakten profitieren. Ob Landesbehörden, Förderstellen oder andere wichtige Institutionen: Der Name Brodführer war an den entscheidenden Stellen bekannt und steht überall für Verlässlichkeit.
ALEXANDER: Natürlich gibt es mit mir aber auch einen Generationenwechsel. Wir müssen die Verwaltung modernisieren und digitaler aufstellen und dürfen die zukünftigen technischen Entwicklungen nicht verpassen. Wichtige Themen sind Barrierefreiheit, neue Formen der Mobilität, langfristige Sicherung der ärztlichen Versorgung, insbesondere hier im ländlichen Bereich.
MICHAEL: Bei der ärztlichen Versorgung ist ja deine Frau als Ärztin deine beste Beraterin. Sie weiß, was die Patienten benötigen.

Schulen in Schleusingen

ALEXANDER: Ja. Eine gute ärztliche Versorgung ist vor allem auch für unsere ältere Generation wichtig. Aber eines der wichtigsten Punkte in der Stadt sind unsere Schulen. Wir können mit den drei Grundschulen, unserer Regelschule und dem Gymnasium alle drei Schularten anbieten. Das ist das größte Pfund, das wir haben.
MICHAEL: Wenn ich mir die aktuellen Diskussionen anschaue, wird die Schleusinger Schullandschaft gerade von deinem Gegenkandidaten und dem Linksbündnis aufs Spiel gesetzt.
ALEXANDER: Du meinst die Diskussion, ob die Stadt die Schulträgerschaft für die Grundschulen und die Regelschule beim Landkreis belassen soll, was ich befürworte, oder ob sie auf die Stadt übertragen werden sollten. Dazu gibt noch keine Entscheidung, obwohl der Landkreis dringend auf eine Entscheidung wartet.
MICHAEL: Wenn ich mir diese Verzögerungstaktik betrachte, habe ich den Eindruck, dass das Linksbündnis um Andre Henneberg tatsächlich die Grundschulen und die Regelschule aus dem Schulnetz des Kreises herausbrechen und in städtische Trägerschaft überführen wollen. Das wäre schon der erste schwerwiegende Fehler, der die Stadt langfristig in erhebliche Schieflage bringen wird. Nicht nur, weil die Stadt dann auch für die Schulgebäude, Hausmeister, Turnhallen, Schülerverkehr und zusätzliches Verwaltungspersonal zuständig wäre. Das hat bisher alles der Landkreis übernommen. Vor allem aber wird damit die Existenz unseres Gymnasiums extrem gefährdet.
ALEXANDER: Genauso ist es. Das haben viele noch gar nicht bedacht.
MICHAEL: Bildungsminister Holter von der Linkspartei hat einen Gesetzentwurf vorbereitet, in denen Mindestgrößen für Schulen bzw. Schülerzahlen vorgeschrieben sind. Danach würde unser Gymnasium zukünftig durch das Raster fallen und geschlossen werden. Es muss alles getan werden, um das Gymnasium in Schleusingen zu erhalten. Wenn Schleusingen dem Landkreis die Regelschule und die Grundschulen aus den Händen reist, wird im Landkreis auch das Interesse am Schleusinger Gymnasium stark abnehmen. Rot-Rot-Grün möchte Andre Henneberg in Schleusingen ins Amt heben. Als Gegenleistung muss er sich erkenntlich zeigen und deren Politik machen. Ich sage dir ganz ehrlich: Ich habe Angst um das Schleusinger Gymnasium mit seiner 441-jährigen Tradition.
ALEXANDER: Das darf natürlich nicht passieren. Unser Gymnasium ist eine Institution in der Stadt. Es ist nicht nur für die Familien mit ihren Kindern wichtig, sondern auch für die Belebung der Innenstadt. Und es ist die Basis für die künftige Fachkräftegewinnung, die wir dringend vor Ort benötigen.

Stadtentwicklung

MICHAEL: Apropos Innenstadt. Ich vertrete die Auffassung, dass das gesellschaftliche Leben eines Ortes immer vom Ortskern ausgehen muss. Deshalb ist es wichtig, dass die Innenstadt, aber auch jedes einzelne Dorf eine Innenbelebung erfährt. Vor allem, um gegen drohenden oder bereits erfolgten Leerstand vorzugehen.
ALEXANDER: Ich habe gesehen, dass ihr in Bad Liebenstein ein Stadtentwicklungskonzept erstellt und beschlossen habt, in dem ihr euch mit der Thematik Ortsentwicklung befasst habt. Ich halte das auch für Schleusingen wichtig. Im Wahlkampf haben mich viele Bürger in den Ortsteilen angesprochen, was besser gemacht werden könnte. Nicht alles ist umsetzbar. Aber es macht Sinn, ein Entwicklungskonzept „Schleusingen-Plan 2030“ aufzustellen, in dem jede einzelne Ortschaft aufgenommen wird und wir uns mit der Frage auseinandersetzen: Wie werden wir in fünf oder zehn Jahren hier leben? Welche Herausforderungen müssen wir meistern?
MICHAEL: In der Stadt Bad Liebenstein haben wir mit Hilfe von Fachplanern die Stärken und Schwächen aller Ortsteile aufgenommen und analysiert, wofür welcher Ort steht. Das ist in jedem Ortsteil ganz unterschiedlich ausgeprägt. Bloß kein Einheitsbrei! Diese Vielfältigkeit ist unsere Stärke. Wir haben zum Beispiel mit dem Bad Liebensteiner Ortsteil Steinbach, ein Bergdorf mit 1.100 Einwohner, das seit dem Jahr 2000 ein Viertel seiner Einwohner verloren hat, einen aktiven Dorfentwicklungsprozess gestartet und sind letztes Jahr immerhin Regionalsieger im Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ geworden. Darauf sind wir stolz.

Vereine und Bürgerschaftliches Engagement

ALEXANDER: In Schleusingen und in den Ortsteilen, sowohl in den alten als auch in den neuen Ortsteilen, gibt es auch ein breites bürgerschaftliches Engagement. Das ist übrigens eine Basis für unseren Erfolg. Und hierauf werde ich auch einen Schwerpunkt meiner Arbeit richten. Du bist ja selbst viele Jahre in Schleusingen ehrenamtlich aktiv gewesen.
MICHAEL: Das stimmt. Ich habe viele Jahre Fußball gespielt. Übrigens waren die Lokalderbys gegen Hinternah, Schleusingerneundorf, Erlau und Waldau immer die spannendsten Spiele. Es gab rassige Duelle und manchmal hitzige Auseinandersetzungen unter den Zuschauern. Wir Spieler konnten uns nach dem Spiel aber immer in die Augen schauen und ein Bierchen miteinander trinken. Ich verfolge den Fußball noch, schade, dass es in Hinternah keinen Männerfußball mehr gibt. Es ist ohnehin für die Vereine schwer, die Spielfähigkeit aufrecht zu erhalten. Ich war selbst neun Jahre Vorsitzender des SC 07. Als es in Waldau mit dem Männerfußball nicht mehr weiterging und auch in Schleusingen Engpässe waren, haben wir zusammen eine Spielgemeinschaft gebildet, so dass wir nicht von der Landkarte verschwunden sind. In der Zwischenzeit hatten wir im Verein den Schwerpunkt wieder auf die Nachwuchsarbeit gelegt. Es freut mich, dass der SC 07 die Durststrecke überwunden hat und wieder junge Spieler in den Männerbereich gerückt sind. Und ich freue mich, dass Waldau wieder in der Lage ist, eine eigene Mannschaft anzumelden. Mein Freund Andreas Klose scheint ja jetzt als Spieler in Waldau seinen zweiten Frühling zu erleben.
ALEXANDER: Im Wahlkampf haben mir viele Vereinsvertreter ihre großen und kleinen Probleme geschildert. Vor allem, dass Nachwuchs fehle und die Vereinsarbeit nur noch auf wenige Schultern verteilt ist. Deshalb ist es mein Ziel, die Nachwuchsförderung zu stärken.
MICHAEL: Als Vereinsvorsitzender des SC 07 hatte ich mir auch immer gewünscht, dass wir noch mehr Geldzuwendungen von der Stadt bekommen. Als ich später selbst das Amt eines Bürgermeisters übernommen habe, konnte ich verstehen, dass es Zwänge gibt, vor allem, wenn man alle Vereine gleich behandeln will.
ALEXANDER: Ich bin dafür, dass es für die Vereine eine größere finanzielle Förderung gibt. Damit die Arbeit der Betreuer und Übungsleiter besser unterstützt werden kann. Das werde ich auch umsetzen, wenn ich ins Amt gewählt werde. Aber du hast Recht. Es ist nicht in Ordnung, sich bei den Versprechungen zur Vereinsförderung gegenseitig zu überbieten. Entscheidend ist für mich, dass sich die Vereine darauf verlassen können, dass alle gleich behandelt werden und keiner bevorzugt wird. Das gilt für alle Vereine in der Stadt Schleusingen und allen Ortsteilen. Darauf war in den letzten 28 Jahren Verlass und dass wird bei mir auch in Zukunft so sein.

Bürgermeister oder Ortsteilbürgermeister?

MICHAEL: Stichwort Gleichbehandlung: Ich war schon verwundert, als ich gehörte habe, dass Andre Henneberg nicht nur als Bürgermeister für die Stadt kandidiert, sondern zugleich auch als Ortsteilbürgermeister für den neuen Ortsteil St. Kilian. Als Bürgermeister der gesamten Stadt Schleusingen sollte man nicht noch Ortsteilbürgermeister eines einzelnen Ortsteils sein. Das ist ein spürbarer Interessenkonflikt. Gibt dann der Bürgermeister sich selbst als Ortsteilbürgermeister Geld in die Hand, um es in seinem Ortsteil ausgeben zu können? Das lässt zwar die Kommunalordnung zu. Aber wenn man sich voll und ganz auf die Arbeit als Bürgermeister der gesamten Stadt Schleusingen konzentrieren möchte, hätte ich von ihm erwartet, dass er den Wählern erklärt, nicht als Ortsteilbürgermeister in St. Kilian anzutreten. Vertritt er die Interessen der alten Stadt Schleusingen und des neuen Ortsteils Nahetal-Waldau genauso? Wo bleibt die Neutralität?
ALEXANDER: Ein Bürgermeister muss alle gleichbehandeln. Bei mir können sich die Wähler sicher sein, dass niemand bevorteilt oder benachteiligt wird. Das gilt für die alte Stadt Schleusingen und deren alten Ortsteile ebenso wie die einzelnen Orte der neuen Ortsteile.
MICHAEL: Dass Andre Henneberg neben Bürgermeister auch Ortsteilbürgermeister in St. Kilian sein will, finde ich mit Rücksicht auf die anderen Ortsteile nicht in Ordnung. Das ist ungeschickt und unsensibel.
ALEXANDER: Das ist seine Sache.
MICHAEL: Das sehe ich nicht so. Ich bin der Meinung, die Wähler sollten informiert sein, was läuft. Immerhin sieht die neue Regelung in der Hauptsatzung vor, dass der Ortsteilbürgermeister von St. Kilian jeden Monat 650,- Euro an zusätzlicher Aufwandsentschädigung aus dem Stadtsäckel bekommt. Das sind im Jahr 7.800 Euro. Das kann jeder in der Hauptsatzung der Stadt nachlesen. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit.
ALEXANDER: Gleichzeitig Bürgermeister und Ortsteilbürgermeister eines Ortsteils sein zu wollen, ist tatsächlich ein Interessenkonflikt.
MICHAEL: Zur Thematik Ortsteilbürgermeister hatten wir 2013 in Bad Liebenstein auch eine große Diskussion. Jeder Ortsteil durfte für sich entscheiden, ob er einen Ortsteilbürgermeister wählen will oder nicht. Vier von Fünf Ortsteilen hatten sich in Bad Liebenstein gegen die Wahl eines Ortsteilbürgermeisters entschieden, da die grundlegenden Entscheidungen ohnehin im Stadtrat getroffen werden. In diesen Ortsteilen haben wir das Geld des Ortsteilbürgermeisters nicht etwa eingespart, sondern es wird direkt von der Stadt an die örtlichen Vereine als zusätzliche Vereinsförderung ausgezahlt. Die Vereine freuen sich jedes Jahr über die zusätzliche Zuwendung.
ALEXANDER: Das ist in der neuen Stadt Schleusingen mit seinen 19 Ortsteilen etwas anders. Jede kleine Ortschaft braucht einen Fürsprecher, so wie es in der alten Stadt Schleusingen auch der Fall war. Vor allem dann, wenn nicht jeder Ortsteil im Stadtrat vertreten ist. Die Probleme in Fischbach sind andere als in Heckengereuth. Auch gibt es in Waldau andere Themen als in Schleusingerneundorf und in Breitenbach andere als in Altendambach. Deshalb braucht es viele Gesprächspartner, mit denen ein Interessenausgleich möglich ist, sonst fallen einzelne Orte hinten runter. Und das wollen wir nicht. Auf den neuen Bürgermeister kommt hier eine schwierige Aufgabe zu und dabei sollte man unvoreingenommen sein.
MICHAEL: Da stimme ich dir zu. Die Aufgabe des neuen Bürgermeisters ist eine große Herausforderung.

Richtungswahl

ALEXANDER: Für mich ist klar, dass es weiterhin eine zuverlässige bürgerliche Politik geben muss, bei der alle Beteiligten berücksichtigt und nicht nur Einzelinteressen verfolgt werden.
MICHAEL: So klar ist das bei deinem Gegenkandidaten nicht: Der erste Wahlgang hat gezeigt, dass Andre Henneberg sein Wahlklientel vorrangig in St. Kilian hat. Dazu möchte ihn ein rot-rot-grünes Bündnis ins Amt bringen, um dann eine andere Politik machen zu können. Das ist legitim, aber längst nicht jedem Wähler bewusst!
ALEXANDER: Richtig. Letztlich vertreten wir zwei vollkommen unterschiedliche politische Lager. Schleusingen war es gewohnt, sich in den letzten 28 Jahren kontinuierlich zu entwickeln. Das Linksbündnis um Andre Henneberg hat bereits verlauten lassen: „Schluss mit weiter so!“. Und ich sage: „Weiter erfolgreich.“

Fortsetzung folgt…